bag if Jahrestagung 2019: Inklusionsunternehmen. MehrWert inklusive
Unter dem Motto „Inklusionsunternehmen. MehrWert inklusive“ fand vom 04. bis 05. Juni die Jahrestagung der bag if in Potsdam statt. Neben rund 370 Gästen aus Wirtschaft, Politik, Fachwelt und Verwaltung begrüßte die bag if den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Jürgen Dusel, die Vertreterin des Bundesarbeitsministeriums Vanessa Ahuja sowie den bekannten Autor und Journalisten Prof. Dr. Dr. h.c. Heribert Prantl.
Zur Eröffnung der Jahrestagung 2019 erklärte Dr. Fritz Baur, der 1. Vorsitzende der bag if, dass sich Inklusionsunternehmen seit mittlerweile über 40 Jahren als erfolgreiches Modell der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewährt haben. Damit Inklusionsunternehmen ihre Wachstumspotentiale und Beschäftigungsmöglichkeiten heute und auch in Zukunft ausschöpfen können, seien sie jedoch auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen. Vor diesem Hintergrund forderte Dr. Baur mehr Rechtssicherheit bei der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für gemeinnützige Inklusionsunternehmen. Auch die dauerhafte Sicherung von Nachteilsausgleichen sei durch neue Finanzierungsinstrumente, beispielsweise durch den Einsatz von Steuermitteln und durch die Einführung von Boni in der Sozialversicherung, zu gewährleisten. Um den gesamtgesellschaftlichen und fiskalischen Nutzen von Inklusionsunternehmen zu evaluieren, sei zudem eine umfassende Wirkungsforschung unumgänglich.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Jürgen Dusel hob die Bedeutung von Inklusion für eine funktionierende Demokratie hervor. Ein zentrales Ziel sei dabei die Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarktes, zu der sich Deutschland mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention bereits vor zehn Jahren verpflichtet habe. Wesentliche Barrieren im Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt sieht Jürgen Dusel im komplexen Leistungsrecht zur Teilhabe am Arbeitsleben, das durch eine Bündelung der Leistungen aller Rehabilitationsträger bei den Integrationsämtern vereinfacht werden könnte. Darüber hinaus müsse man die rund 40.000 Unternehmen in Deutschland, die trotz Beschäftigungspflicht keinen Menschen mit Schwerbehinderung ausbilden oder beschäftigen, stärker in die Pflicht nehmen. Er setzt auf die Kampagne „Einstellung zählt – Arbeitgeber gewinnen“. Sollte diese nicht erfolgreich sein, plädiert Jürgen Dusel für eine Verdoppelung der Ausgleichsabgabezahlung dieser Unternehmen. Für Jürgen Dusel können Inklusionsunternehmen dabei Vorbild für echte Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sein. Sie zu stärken, sei eine wichtige Voraussetzung, damit Menschen mit Behinderungen ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen können.
Vanessa Ahuja, die Leiterin der Abteilung V (Teilhabe, Belange von Menschen mit Behinderungen, Soziale Entschädigung und Sozialhilfe) im Bundesministerium für Arbeit und Soziales warb für das Budget für Arbeit, das Menschen mit Behinderungen den Übergang von einer WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Sie kündigte darüber hinaus ein Budget für Ausbildung an, das im Rahmen des Angehörigenentlastungsgesetzes verwirklicht werden soll. Dieses werde aktuell in der Bundesregierung abgestimmt, bevor es anschließend in den parlamentarischen Prozess eingebracht werde. Frau Ahuja versprach zudem, eine von der bag if angeregte umfassende Wirkungsforschung der Inklusionsbetriebe prüfen zu lassen.
Bei einem Fachgespräch zu dem Thema „Budget für Arbeit – eine Zwischenbilanz“ nahmen neben Jürgen Dusel und Vanessa Ahuja auch Matthias Münning, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, Thomas Niermann, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, Andrea Falckenhayn, Referatsleiterin im brandenburgischen Arbeitsministerium, sowie Dr. Fritz Baur teil. In der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass das Budget für Arbeit, auch wegen der zahlreichen unterschiedlichen Länderumsetzungen, mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hat. Als Alternative zur Beschäftigung in den WfbM ist es für viele Menschen mit Behinderung jedoch die einzige Möglichkeit einer sozialversicherten und inklusiven Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.
Als Vertreter der Europäischen Kommission sprach Karel Vanderpoorten (Generaldirektion GROW) über die Rolle von inklusiven Unternehmen in der europäischen Strategie 2021 – 2027 und stellte die vielfältigen Aktivitäten der Kommission zur Unterstützung von Sozialunternehmen in Europa vor. Der Gast aus Brüssel machte deutlich, wie wichtig es ist, sich auf europäischer Ebene zu vernetzen und gemeinsame europäische Aktivitäten zu initiieren.
Mit der Keynote von Prof. Dr. Dr. h.c. Heribert Prantl, dem bekannten Autor und Journalisten, fand die bag if Jahrestagung einen würdigen Abschluss. Prof. Prantl wies auf den dreifachen Jubiläumscharakter des Jahres 2019 hin (70 Jahre Grundgesetz, 25 Jahre Benachteiligungsverbot von Menschen mit Behinderungen, 10 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention) und machte deutlich, dass eine Demokratie ohne Inklusionsprinzip unvollkommen ist. Er forderte einen gesellschaftlichen Pakt für Inklusion und sieht Inklusionsunternehmen in einer Vorreiterrolle für ein lebendiges und gleichberechtigtes Miteinander.
Wie Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgreich gelingen kann, wurde bei der Verleihung des Rudolf-Freudenberg-Preises deutlich. Mit der Lebenshilfe Erfurt Service gGmbH und der miteinanderleben service gGmbH aus Pforzheim konnten gleich zwei Inklusionsunternehmen die Jury überzeugen und den Unternehmenspreis, den die Freudenberg Stiftung und die bag if jedes Jahr für besondere Innovationen in Inklusionsunternehmen vergeben, entgegennehmen.
„Die bag if Jahrestagung ist ein wichtiges Forum, um die Inklusion im Arbeitsmarkt mit Experten unterschiedlichster Couleur zu diskutieren. Für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer zählen der fachliche Austausch, die vielfältigen Impulse sowie die Möglichkeiten zum Netzwerken“, fasste Dr. Baur die Jahrestagung 2019 der bag if zusammen. Um Inklusion als zentrales gesellschaftliches Ziel nachhaltig zu erreichen, sei es besonders wichtig, die Bedeutung von inklusiver Arbeit zu unterstreichen und auf das wirtschaftliche und soziale Erfolgsmodell der Inklusionsunternehmen aufmerksam zu machen.